Lektion 2: Der erste Tag
Oft geht dem ersten Tag in der neuen Wohngruppe eine lange Geschichte voraus: mit anderen (Jugendamts-)Mitarbeiter*innen, mit anderen Kindern/Jugendlichen, in anderen Hilfeformen. Diese Geschichte betrifft oft die ganze Familie, denn auch die Eltern können sich besser oder schlechter in die bisherige Hilfe eingebunden fühlen. Dies hat Auswirkungen auf ihre Hoffnungen aber auch auf Vorbehalte und Ängste. Alle bringen ihre eigenen Erfahrungen mit. Diese sollte man in den Grundzügen kennen, wozu Entwicklungsberichte oder Vorgänger-Hilfepläne dienen, die das Jugendamt zur Verfügung stellen muss. Häufig empfiehlt es sich, die Art und das Tempo der Aufnahme (des Aufnahmegespräches) von den Vorerfahrungen abhängig zu machen. Ein Probewohnen kann manchmal erforderlich sein, damit beide Seiten die Möglichkeit haben, sich für (- oder gegen) einander zu entscheiden. Aber auch der erste Tag selbst bedarf einer sorgfältigen Gestaltung, sowohl was die Vorbereitung des Zimmers betrifft als auch die ersten Kontakte mit dem/der Bezugserzieher*in, die Führung durch Haus, Hof und Gelände, das Überreichen einer Mappe mit wichtigen Infos an Kinder und Eltern sowie die Verabschiedung der Eltern. Was man an einem Aufnahmetag erlebt und wie man diese Prozesse gestaltet (z.B. mit oder ohne konkrete Verabredungen für den Austausch zwischen Eltern und Einrichtung) kann wesentliche Auswirkungen für den weiteren Verlauf haben. Evaluationsergebnisse bezogen auf den „Ersten Tag“ runden die Lektion ab.
Die zentralen Themen in dieser Lektion:
- Der erste Tag stellt das Ende eines Prozesses dar…
- und zugleich den Anfang von etwas Neuem
- Herausforderung Probewohnen
- Wie gestaltet man den Empfang und das Ankommen?
- Bedürftigkeit von Kindern und Eltern
- Informationen: Was kann man am ersten Tag aufnehmen, was (noch) nicht?
- Ergebnisse eines Forschungsprojekts
Informationen zum Gesamtkurs:
Stationäre Einrichtungen leiden an vielen Orten an einem Mitarbeiter*innen-Mangel. Manchmal müssen Gruppen trotz lebhafter Nachfrage geschlossen werden, weil Menschen fehlen, die diese Art von Arbeit leisten wollen. Deswegen kommt der Einarbeitung neuer Mitarbeiter*innen eine besondere Bedeutung zu, auch weil Ausbildung und Studium nur mangelhaft auf die spezifischen Herausforderungen der Heimerziehung vorbereiten. Nur wenn sich Mitarbeiter*innen bei der Ausübung der neuen Arbeit gut unterstützt fühlen, werden sie diesem Aufgabengebiet treu bleiben. Nur wenn sie ihm treu bleiben, können stationäre Gruppen Kindern und Jugendlichen ein „zu Hause auf Zeit“ bieten, in dem Beziehungskontinuität erfahren werden kann. Nur wenn Beziehungen aufgebaut werden können, mit allen Krisen, die dazu gehören und mit aller Ausbalancierung von Nähe und Distanz, wird die Heimerziehung mittelfristig auch erfolgreich sein.
Insofern ist es im Interesse aller Leitungspersonen jeden neuen Mitarbeitenden als eine kostbare Ressource zu begreifen, die gut eingearbeitet werden muss, damit – wie Neuanfänger*innen - die Berufseinmündung bzw. der Wechsel an einen neuen Arbeitsplatz – bei Berufserfahrenen – gelingen kann.
In der Regel besitzen stationäre Einrichtungen heute Einarbeitungskonzepte. Diese beruhen meist auf drei Säulen
- Eine persönliche, fachliche Begleitung durch jemanden aus dem Team; im besten Fall trifft diese Person sich einmal pro Woche mit dem/der Neuen über einen Zeitraum von zwei bis drei Monaten; später in größeren Abständen
- Schriftliches Material wie Konzepte, Leitbildern, Qualitätshandbücher und Arbeitseinweisungen, die in der Arbeitszeit gelesen werden sollen. Das Lesen kann man sich quittieren lassen. Wichtig ist, dass der/dem Neuen jemand für Rückfragen zu Verfügung steht, der kompetent Auskunft geben kann
- Zwei oder drei Veranstaltungen im ersten Jahr, bei dem der/die Neue auf institutioneller Ebene in die Einrichtungskultur eingeführt wird und dabei auch anderen neue Mitarbeiter*innen kennen lernen und mit diesen in Austausch gehen kann.
Daneben gibt es in großen Einrichtungen die Möglichkeit alle, die neu sind, also auch Praktikant*innen, Freiwilligen-Dienst-Ableistende und neue Mitarbeiter*innen in Gruppen zusammen zu fassen, um mit diesen an bestimmten Themen oder jeweils spontan generierten Fragestellungen zu arbeiten. Hier geht es um eine Mischung aus Wissensvermittlung und Supervision, die gut von erfahrenen Fachkräften oder Bereichsleiter*innen vertreten werden kann. In manchen Regionen werden solche Angebote für Berufseinsteiger*innen auch von den Fachverbänden auf Landesebene organisiert. Hier lernt man Mitarbeiter*innen aus anderen Einrichtungen und von anderen Trägern kennen, was sehr nützlich sein kann, um Vergleiche anzustellen. Schließlich stellt auch das Mitarbeitergespräch mit dem Vorgesetzen ein Zeichen des sich Kümmerns dar: der Vorgesetzte beobachtet den Einarbeitungsprozess eher aus der Ferne, sollte aber zwei oder dreimal im ersten Jahr fragen, wie weit sich der neue Mitarbeiter angekommen fühlt und welche Unterstützungen er sich erwartet, um weiter dazu zu lernen. Hier können dann spezifische Fortbildungsangebote ansetzen oder – bei anhaltenden persönlichen Schwierigkeiten im Umgang mit bestimmten Herausforderungen – individuelle Formen von Supervision oder Coaching.
Die Dozenten:
Wir sind zwei erfahrene Praktiker*innen der stationären Erziehungshilfen und kennen das Arbeitsfeld sowohl als langjährige Mitarbeiter*innen im Gruppendienst (wir sind ehemalige Kolleg*innen einer Einrichtung), wie auch als Leiter und Supervisoren. Herr Lampe hat zwei große Träger konzeptionell wesentlich um- und ausgestaltet und damit auch aus den roten Zahlen herausgeführt. Herr Schwabe hat zahlreiche Forschungsprojekte im Rahmen von Heimerziehung durchgeführt und mehrere einschlägige Bücher mit hohen Auflagen geschrieben (u.a. Eskalation und De-Eskalation: konstruktiver Umgang mit Aggression und Gewalt in der Jugendhilfe, 6. Aufl. Beltz – Juventa).
Zielgruppe:
Wir wenden uns vom Stil und den Inhalten unserer Lektionen an Erzieher*innen und Absolvent*innen von (Fach)Hochschulen, die ihre erste Arbeitsstelle in einer stationären Erziehungshilfe antreten. In der Regel haben sie im Studium/in der Ausbildung wenig über Heimerziehung und anderen Felder der stationären Hilfe gehört. Aber auch an erfahrene Mitarbeiter*innen aus anderen Feldern der Sozialen Arbeit (insbesondere ambulanten), die ihren Arbeitsplatz gewechselt haben und nun einen Neustart vor sich haben. Wir haben aber auch Quereinsteiger*innen im Blick, die eine ganz andere Ausbildung absolviert haben und nun im Rahmen einer Umschulung in das neue Feld einsteigen. Geeignet sind die Lektionen aber auch für Jahrespraktikant*innen oder alle Personen, die ein längeres Praktikum im Rahmen von stationären Hilfen leisten.
Einsatzmöglichkeiten:
Die zehn Lektionen wollen und können keine Einarbeitung neuer Mitarbeiter*innen ersetzen. Aber sie können im Rahmen eines Einarbeitungskonzeptes eine wichtige Rolle spielen. So kann man neuen Mitarbeiter*innen den Auftrag geben, sich die 10 Filme im Laufe von 3 bis 5 Monaten anzuschauen und mit ihnen ein, zwei Gespräch über das Gesehene und Verstandene führen. Dabei würde es der Aufnahmequalität dienen, wenn die Mitarbeiter*innen schriftliche Zusammenfassungen über das Gehörte anfertigen, um sich die Inhalte besser zu merken und bestimmte Themen auch später nachlesen zu können. Besser wäre es, wenn sich zwei bis fünf neue Mitarbeiter*innen treffen und sich die Filme gemeinsam anschauen und anschließend darüber austauschen. Besonders sinnvoll wäre das, wenn die Gruppe von einer erfahrenen Fachkraft begleitet würde, die die Filme mit ihnen gemeinsam anschaut, immer wieder unterbricht, Fragen zulässt bzw. stellt und das Ganze durch eigenen Erfahrungen und abweichende Standpunkte ergänzt. Im Grunde muss jede Einrichtung einen guten Ort finden, an dem die Lektionen das eigene Programm sinnvoll ergänzen bzw. aufwerten.
Darüber hinaus ist es möglich einzelne Lektionen anzuschauen. Wir sind davon überzeugt, dass in jeder Lektion Inhalte präsentiert werden, die auch für die Diskussion von erfahrenen Fachkräften interessant sind. Insofern kann man einzelne Lektionen auch für interne Fortbildungen oder Teamtage etc. als Einstieg oder als Beitrag verwenden.
Das Curriculum im Überblick
Lektion 1 - Was ist das Besondere an „stationär“?
Lektion 2 - Der erste Tag aus der Perspektive des Kindes, der Eltern, der Mitarbeiter*innen und der Einrichtung
Lektion 3 - Gruppe(n-Alltag) gestalten
Lektion 4 - Regeln, Grenzen und Konflikte
Lektion 5 - Die Regulierung von Nähe und Distanz als professionelle Aufgabe
Lektion 6 - Lebensthemen, Ziele und Visionen. Oder: wie und wann machen stationäre Erziehungshilfen für die davon Betroffenen Sinn?
Lektion 7 - Die Hilfeplanung und das Hilfeplangespräch
Lektion 8 - Notwendigkeit, Möglichkeiten und Grenzen von Partizipation
Lektion 9 - Zusammenarbeit mit Eltern/Familien
Lektion 10 - Arbeiten im und mit dem Team
Unseren Veranstaltungsflyer mit weiteren Infos finden Sie hier.
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